Östliche Mythologie
China |
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Das Kürbismädchen

kürbisförmiges Elfenbeinkästchen, 19. Jhd.
Eine Mauer trennte die Grundstücke der Familie Meng und der Familie
Jiang. Beide Familien hatten auf ihrer Seite einen Kletterkürbis
gepflanzt. Schon bald überragten die Ranken der beiden Pflanzen die Mauer
und sie vereinigten sich miteinander. Schließlich brachten sie einen
großen Kürbis hervor. Die beiden Familien überlegten, was sie mit diesem
Kürbis anstellen sollten, und entschieden sich, diesen zu teilen. Als sie
den Kürbis zerschnitten, fanden sie in dessen Inneren ein Mädchen vor. Sie
nannten es nach ihren beiden Familien Meng Jiang und zogen es gemeinsam
auf. Zu dieser Zeit hatte der Kaiser ein sehr ehrgeiziges Projekt
angefangen: den Bau der Großen Mauer. Es geschah jedoch, dass diese immer
wieder einstürzte. Und so fragte der Kaiser die Weisen des Landes um Rat.
Zunächst rieten sie ihm, dass er 10 000 Männer lebendig unter der Mauer
begraben muss, damit sie sicher stehen würde. Und so begann eine grausame
Menschenjagd und Terror durchzog das ganze Land. Schließlich riet ihm
ein anderer Weiser, dass es reichen würde, wenn er einen Mann namens Wan
(was zehntausend bedeutet) opfern ließ. Und so machten sich die Soldaten
des Kaisers auf die Suche. Wan hörte von diesem Plan und floh
durch das Land. Schließlich versteckte er sich in dem Garten von Meng
Jiang. In der Nacht kam das schöne Mädchen zum Baden in den Garten. Als
sie nackt in das Mondlicht zum Teich hinaustrat, murmelte sie "Wenn mich,
nackt wie ich bin, ein Mann zu sehen bekäme, so würde ich ihm für immer
angehören." Da trat Wan, geblendet von ihrer Schönheit, aus seinem
Versteck heraus und sprach "Ich sehe dich." Und so heirateten die beiden.
Aber noch während ihrer Hochzeit fanden die Schergen des Kaisers ihn
und er wurde schließlich geopfert. Meng Jiang schwor sich, das Andenken
ihres Mannes zu ehren, und reiste zur großen Mauer, um die Überreste ihres
Mannes zu finden. Beim Anblick der gewaltigen Mauer sank ihr Mut und sie
fiel klagend auf die Knie. Da hatte die Mauer Mitleid mit ihr und stürzte
an der Stelle ein, wo Wans Gebeine lagen. Die Kunde von dieser
treuen Ehefrau war in aller Munde und drang auch zum Kaiser. Dieser ließ
sie zu sich bringen und war sofort von ihrer Schönheit verzaubert. Er
wollte sie zu seiner Kaiserin machen und Meng Jiang stimmte seinem Antrag
unter der Bedingung zu, dass eine 49 Tage währende Begräbnisfeier zu Ehren
Wans stattfinden sollte. Außerdem sollte ein 49 Fuß hoher Altar am Fluss
erbaut werden, auf dem sie im Beisein des Kaisers und seines Hofstaates
Wan ehren konnte. Es geschah so, wie sie gefordert hatte. Als Meng
Jiang jedoch auf den Altar kletterte, verfluchte sie den Kaiser für seine
grausame Herzlosigkeit und stürzte sich in den Fluss hinunter. Voller Zorn
befahl der Kaiser, Meng Jiang aus dem Fluss zu ziehen, damit er ihren
Körper zerstückeln und die Knochen zerschmettern konnte. Aber er konnte
ihr nichts mehr anhaben. Denn ihr Leichnam löste sich im Wasser in kleine
silberne Fischchen auf, die blitzschnell in dem Fluss verschwanden.
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