Nordische Mythologie
Die Asen |
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Baldurs Tod

Wikingerbestattung, F. Dicksee, 1893
Baldur, dem guten sanftmütigen, träumte, dass seinem
Leben Gefahr dräute. Und als er den anderen Asen seine Träume sagte,
pflogen sie Rat zusammen und beschlossen, ihm Sicherheit vor allen
Gefahren auszuwirken. Frigg, die Herrin über die Natur, nahm Eide von
Feuer und Wasser, Eisen und allen Erzen, Steinen und Erden, von Bäumen,
Krankheiten und Giften, dazu von allen vierfüßigen Tieren, Vögeln und Würmern,
dass sie Baldurs schonen wollten. Als das geschehen war, trieben die Asen
allerlei Kurzweil mit Baldur, stellten ihn inmitten ihres Kreises und
schossen nach ihm, hieben auf ihn ein, wieder andere warfen schwere Steine
nach ihm. Doch was sie auch anstellen mochten, nichts konnte ihm einen
Harm tun.
Das verdross nun freilich den Loki und er ging zu Frigg
in Verkleidung eines alten Weibes und frug sie, ob sie denn wirklich alles
in Eid genommen. Solcherart erfuhr der Listige, dass östlich von Walhall
eine Staude, Mistel genannt, wachse ,die für zu jung befunden worden wäre,
in Eid genommen zu werden.
Darauf ging nun Loki hin, bemächtigte sich der Mistel
und gesellte sich wieder den anderen Asen zu. Im äußersten Kreise der Männer
stand der blinde Hödur; diesen nahm Loki alsbald zur Seite und nötigte
ihn, mit dem Zweiglein, dass er ihm reichen wolle, auch Baldur Ehre zu tun
und nach ihm zu schießen. Wie groß das Entsetzen aller, als nun dieses
Zweiglein von des Blinden Hand den Baldur durchbohrte, dass er tot zur
Erde stürzte!
Frigg befrug nun jeden, ob er sich reichen Lohn
verdienen wolle, und in ihrem Auftrag der Hel ein reiches Lösegeld für
Baldur anbieten , auf dass er heimkommen könne nach Asgard. Diesen
Auftrag nahm Hermodhr an, des Odins Sohn, bestieg dessen unvergleichlichen
Hengst Sleipnir und nahm den Helweg auf sich.
Unterdessen wurde Baldurs Leichnam mit allen Ehren
bestattet, jedoch ohne Rache, denn der Heimtückische befand sich auf
geheiligter Freistätte.
Hermrodhr gelangte auch wirklich ins Reich der Hel und
forderte Baldurs Rückkehr ins Land der Lebenden, doch stellte Hel für
die Erfüllung dieses Wunsches eine Bedingung: Baldur solle nach Asgard
zurückkehren dürfen, wenn alle Dinge auf Erden, tote wie Lebende, um ihn
weinten, doch sei auch nur eines dabei, welches keine Trauer zeige und
nicht um ihn weine, müsse er in ihrer, Hels, Obhut immerdar bleiben.
So ritt Hermodhr wieder zurück ins Land der Lebenden
und verkündete seine Botschaft; die Asen sandten daraufhin Abgesandte in
alle Länder, auf dass alle Dinge um Baldur weinten, damit er von der Hel
erlöst werden könnte.
Die Gesandten erfüllten ihr Werk auch vortrefflich,
doch, schon auf dem Rückweg nach Asgard, fanden sie das Riesenweib Thöck,
die sich, man erzählt sich, Loki habe sie aufgehetzt, weigerte, um Baldur
zu weinen, da sie weder im Tode noch im Leben etwas mit ihm zu schaffen
gehabt hätte und ihr sein Schicksal, Hel oder nicht, herzlich gleichgültig
sei.
So musste Baldur denn auf immer in Hels Reich
verbleiben und Loki der Heimtückische hatte einen großen Sieg errungen.
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