Nordische Mythologie
Beowulf |
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Beowulf hält sein Trinkhorn zu Grendels
riesiger abgerissener Hand hoch
(Illustration von Alan Lee, 1984)
Über Dänemark herrschte einstmals der gute König
Hrodgar, er baute eine prächtige Halle mit einem großen Metsaal, die
wegen ihrer hohen Zinnen Heorot (Hirsch) genannt wurde. Reich geschmückt
war die Halle und von weither kamen die Dänen, um sie zu bestaunen und
wurden von dem gastlichen König großzügig beschenkt. Fröhliche
Festlichkeiten wurden abgehalten, deren Lärm weithin schallte und endlich
auch an das Ohr von Grendel drang, einem Unhold, der tief im Sumpfwald
hauste. Darauf drang der scheußliche Riese zur Nacht in die Halle ein,
raubte dreißig der schlafenden Edelinge, die die Halle bewachten und trug
sie mit sich in seinen Bau. Dies geschah nun Nacht für Nacht zwölf Jahre
lang; alt und jung ängstigte Grendel, meuchelnd und mordend, wann er zur
Mitternacht aus dem Nebelmoor aufstieg, bis die stolze Festung leer stand,
aller Helden beraubt. Bald drang die Kunde von dem Unhold über der Dänen
Mark hinaus.
Auch Beowulf, der Schwestersohn des Königs Hygelak und
dessen tapferster Degen, befahl ein Schiff bereitzumachen, bestieg es
zusammen mit vierzehn anderen Kühnen und segelte fort, König Hrodgar in
seiner Verzweiflung beizustehen.
Warm war der Empfang, hatte doch Hrodgar Beowulfs Vater
Ekgtheow gut gekannt und Beowulf selbst als Knaben. Beowulf berichtete nun
von seinen Taten und kündete, er wolle gegen das Untier mit bloßer Faust
ringen und im Falle seines Todes dem König sein Heergerät, einst von
Wieland selbst geschmiedet, hinterlassen.
Gern wurde solche Rede vernommen und den Helden ein großes
Fest gerichtet. In Strömen floß der Met, doch bald brach die Nacht
heran, der König zog sich zur Ruhe zurück und der Gast blieb allein mit
seinen Gefährten als Saalwart zurück.
Beowulf legte nun die eiserne Brünne ab, nahm den Helm
vom Haupt und reichte sein Schwert einem Krieger, der seines Heergerätes
hüten sollte. Bald lagen die Gefährten im Schlaf, nur Beowulf wachte. Da
kam im Nebel vom Moor her Grendel gegangen, schritt die Stufen zur Halle
empor und erbrach die mit eisernen Riegeln gefestigte Tür. Er sah die
schlafenden Helden liegen und dachte sie zu erwürgen, doch war ihm vom
Schicksal anderes beschieden. Er zerriss wohl den Nächstliegenden,
zerbiss sein Gebein trank sein Blut und verschlang große Stücke des
Fleisches, nur Hände und Füße ließ er übrig, dann trat er an Beowulfs
Lager und griff nach ihm. Doch der ergriff ihn nun mit einer Kraft, wie
sie ihm noch nie zuvor begegnet war und begann mit ihm ein gewaltiges
Ringen. Es eilten endlich auch die Gefährten dem Recken zur Seite, doch
das Ungeheuer war durch Eisen nicht zu verwunden; doch war Beowulfs Kraft
so groß, dass er endlich dem Grendel einen Arm abriss und dieser sich
letztlich todwund zurück ins Moor schleppte um da zu verenden.
Heorot war gesäubert und zum klaren Zeichen des Sieges
heftete Beowulf die Riesenfaust allen zur Schau mitten unter die Decke der
Methalle. Die Siegeskunde flog von Mund zu Mund, laut wurde Beowulfs
Heldentat gepriesen und reiche Gaben erhielten er und seine Gefährten vom
dankbaren König, der getötete Gefolgsmann gar wurde in reinem Golde
aufgewogen.
Aber Grendel lebte eine Rächerin, seine Mutter suchte
die Halle heim. Doch sie hatte nicht mit so vielen Tapferen gerechnet,
gerade noch konnte sie die blutige Faust von der Decke reißen, dann
musste sie fliehen.
So erhielt Beowulf eine neue Mission, auch das zweite
Ungetüm war in der Wildnis zu suchen und zu töten, sollte das Land
endlich wirklichen Frieden finden. Er gelangte ans Meer und nach langem
harten Kampf erlegte er nun auch dieses Ungeheuer, Grendels totes Haupt
schlug er ab und brachte es als Zeichen seines Sieges mit in die
Festhalle, wo er hoch geehrt wurde und weitere Geschenke erhielt.
Lang lebte er nach seiner Rückkehr in die Heimat und
wurde ein guter und gerechter König.
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