Griechische Mythologie
Die Odyssee |
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Auf der Insel der Kirke
Kirke bietet Odysseus
ihren verzauberten Trank an
(Illustr. aus Tanglewood Tales, 1920)
"Und wir saßen ein ganzes Jahr von Tage zu Tage, An der
Fülle des Fleisches und süßen Weines uns labend. Als nun ein
Jahr um war und wiederkehrten die Stunden, und mit dem
wechselnden Mond sich viel der Tage vollendet, Da beriefen mich
heimlich die lieben Gefährten und sagten: Denk, Unseliger, doch
auch endlich einmal an die Heimat, Wenn dir das Schicksal
bestimmt, lebendig wieder zu kehren In das erhabene Haus und
deiner Väter Gefilde." (Odyssee, Zehnter Gesang, Vers 467-474,
Homer) Nach den schrecklichen Ereignissen bei den
Laistrygonen landeten sie mit dem verbliebenen Schiff bei der
Insel Aiaia. Dort herrschte Kirke, eine Tochter des Sonnengottes
Helios. Während die Gefährten des Odysseus müde und traurig am
Ufer lagerten, erkundete dieser das Land. In der Ferne sah er
Rauch von einem Palast aufsteigen und beschloss, Späher
auszusenden. Er teilte seine Gefährten in zwei Gruppen auf
und ließ das Los entscheiden, wer zu dem Palast gehen sollte.
Eurylochos und seine Männer traf es. Nur zaudernd machte er sich
mit seinen zweiundzwanzig Gefährten auf den Weg. Bald schon
stießen sie auf Kirkes prächtigen Palast, vor dem Wölfe und Löwen
herumliefen, die zahm wie Hunde waren. Eine liebliche Stimme
ertönte aus dem Schloss. Es war die von Kirke, die singend am
Webstuhl saß. Als sie das Rufen der Ankömmlinge vernahm,
bat sie diese sofort herein. Nur der besonnene Eurylochos blieb
draußen, der Schlimmes ahnte. Auf prunkvollen Stühlen hieß sie die
Gefährten Platz zu nehmen und bewirtete sie mit köstlichen
Speisen. Kaum hatten sie davon gegessen, verwandelten sie sich in
Schweine. Denn die Zauberin Kirke hatte ihnen einen giftigen Trank
in das Essen gemischt. Eurylochos, der entsetzt alles
mitangesehen hatte, eilte zu den Schiffen zurück, um Odysseus
davon zu berichten. Dieser wollte sofort die Gefährten befreien
und sich an der grausamen Zauberin rächen. Auf dem Weg zu Kirke
traf er auf den Götterboten Hermes. Dieser reichte ihm eine
schwarze Wurzel, die Odysseus gegen die Zauberkraft Kirkes
schützen sollte. Außerdem riet er ihm, „Wenn Kirke dich mit ihrem
Zauberstab berührt, so stürze dich mit deinem Schwert auf sie, als
wolltest du sie töten. Sie wird sich gefügig zeigen und deine
Gefährten befreien." So ausgerüstet ging Odysseus zu dem
Palast und ließ sich von Kirke bewirten. Kaum hatte er aus einer
Schale getrunken, berührte sie ihn schon mit ihrem Zauberstab und
wollte ihn ebenso wie seine Gefährten in ein Schwein verzaubern.
Da zog Odysseus sein Schwert und stürzte sich auf die Zauberin,
die sich schreiend zu Boden warf. Sie erkannte in ihm den von
Hermes geweissagten Odysseus und erflehte seine Freundschaft. Doch
er drohte ihr, ihr nur dann nichts anzutun, wenn sie mit einem
heiligen Eid schwören würde, ihn unversehrt zu lassen und seine
armen Gefährten zurück zu verwandeln. Sie versprach es ihm
sogleich und führte ihn dann in sein Nachtgemach. Am
nächsten Morgen setze sie ihm die herrlichsten Speisen zum
Frühstück vor. Aber Odysseus rührte nichts davon an und sprach zu
ihr: „Wie sollte ich mich denn an diesen Speisen erfreuen, solange
meine Freunde gefangen sind?" Da verwandelte Kirke seine Gefährten
wieder in Menschen. Kirke lud sie alle ein, ihre Gäste zu
sein. Odysseus ließ sich von ihren schmeichelnden Worten
überreden. Sie zogen ihr Schiff auf den Strand und bargen die
Ladung in einer Felsenhöhle. Sie blieben ein Jahr bei der Zauberin
und ließen es sich gutgehen. Nach einem Jahr ermahnten die
Gefährten Odysseus, endlich an die Heimkehr zu denken. So
eindringlich waren ihre Worte, so dass er noch am selben Abend
Kirke von seinem Entschluss berichtete. Diese riet ihm, durch das
Reich des Hades zu reisen, um den blinden Seher Teiresias nach
ihrer Zukunft zu befragen. Odysseus fürchtete sich, weil noch kein
Sterblicher lebend diese Reise unternommen hatte. Kirke
beschwichtigte ihn. „Setze nur getrost die Segel, der Nordwind
wird euch zu Persephones Hain treiben, wo sich der Eingang zur
Unterwelt befindet." Und so geschah es auch. Auf ihre Anweisung
hin brachten sie ein Totenopfer dar. Die Seelen der Verschiedenen
kamen herbei und drängten sich um die Opferstelle. Odysseus
wehrte sie mit seinem Schwert ab bis der Seher Teiresias
hervortrat. Diesen ließ er von dem Opfer trinken. „Du
forschst nach einer glücklichen Heimkehr?", sprach Teiresias zu
ihm, „Ein Göttlicher wird sie dir schwer machen. Denn du hast
Poseidon beleidigt, als du seinen Sohn Polyphem geblendet hast.
Dennoch soll dir die Heimkehr nicht verwehrt bleiben, wenn ihr die
Rinder des Helios nicht antastet. Geschieht ihnen jedoch etwas, so
weissage ich deinem Schiff und den Gefährten Verderbnis. Nach
vielen Mühen, allein und unbekannt wirst du auf fremden Schiff
heimkehren und nur Elend in deinem Hause vorfinden." Nach
dem Seher erschienen Odysseus noch seine Mutter und der Fürst
Agamemnon. Immer mehr verlorene Seelen tauchten aus der Unterwelt
auf. Odysseus packte das Grauen und er flüchtete aus dem Hades, um
seine Fahrt nach Hause fortzusetzen.
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