Griechische Mythologie
Die Odyssee |
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Odysseus Rache
Odysseus tötet die Freier
mit seinem Bogen
(Illustration aus Geschichten von Homer, 1885)
"Also mühelos spannte den großen Bogen Odysseus. Und mit der
rechten Hand versucht' er die Sehne des Bogens; Lieblich
erklang die Sehne und hell, wie Schwalbengezwitscher. Schrecken
ergriff die Freier, und aller Antlitz erblasste. Und Zeus
donnerte laut und gab sein Zeichen vom Himmel. Und es freute
sich darüber der göttliche Odysseus, Dass ihm des listigen
Kronos Sohn das Zeichen gesendet. Und er nahm den flüchtigen
Pfeil; der lag auf dem Tische, Nackt; im hohlen Gehäus des
Köchers staken die andern; Die aber sollten gar bald den
Freiern zu schmecken bekommen. Diesen hielt er am Griff des
Bogens und zog mit der Kebe Jetzt die Sehne, wie er da saß auf
dem Schemel und zielte, Schoss den Pfeil und fehlte von den
Äxten nicht eine." (Odyssee, Einundzwanzigster Gesang, Vers
409-421, Homer) Am nächsten Tag geleitete ihn der Hirte
Eumaios zum Palast. Telemachos war schon vorgeeilt, um seiner
Mutter von seiner Reise zu berichten. Heftig schlug das Herz von
Odysseus in seiner Brust, als er sich dem Palast näherte und den
Vorhof betrat. Niemand achtete auf ihn. Nur sein alter Hund Argos
hob den Kopf. Trotz seiner Verkleidung hatte er seinen Herrn
erkannt und wedelte freudig mit dem Schwanz. Die Kraft reichte
nicht mehr, um Odysseus entgegenzulaufen. Und so starb er vor
dessen Füßen. Verstohlen wischt sich der heimgekehrte König eine
Träne aus seinen Augen. Um Brotsamen bittend ging er durch
die Reihen der Freier. Einige gaben ihm tatsächlich etwas. Doch
Antinoos, der Frechste von Allen, warf einen Fußschemel nach ihm
und traf ihn an der Schulter. Grimm flammte in Odysseus Herzen
auf. Aber noch schluckte er seinen Zorn hinunter. Weitere
Beschimpfungen musste Odysseus, der Bettler, über sich ergehen
lassen. Ein anderer Bettler wollte seinen Nebenbuhler vertreiben
und er fing einen Streit mit Odysseus an. Die Freier stachelten
sie gegeneinander auf und zwangen sie zu kämpfen. Sie lachten, als
es Odysseus gelang, den Landstreicher zu Boden zu schlagen. Bis
in die späte Nacht feierten und zechten die Freier. In Odysseus
Herzen brannte der Durst nach Rache und so behielt er jeden von
ihnen genau im Auge. Penelope indes wollte den Fremden
sprechen, weil sie auf Nachricht von ihrem verschwundenen Gatten
hoffte. Und so rief sie ihn in ihr Gemach. Er sprach ihr Mut zu
und versicherte ihr, dass Odysseus heimkehren wird noch ehe der
Mond gewechselt hat. Nachdem Odysseus ihr Gemach verlassen hatte,
erschien Athene. Die Göttin riet ihr, den Freiern Odysseus Bogen
zum Wettkampf vorzulegen. Und so trat sie mit dem Bogen
unter die Freier und sprach zu ihnen: „Wem es gelingt, den Bogen
des göttlichen Odysseus am leichtesten zu spannen und durch die
Öhre von zwölf hintereinander aufgestellten Äxten zu schießen, der
soll mein Gemahl werden." Und so stellte Telemachos mit Hilfe
einer Schnur sorgsam die Äxte hintereinander auf und der Bogen
wurde den Freiern gereicht. Einer nach dem anderen versuchte es.
Doch niemanden gelang es auch nur annährend, den Bogen zu spannen.
Da trat Odysseus vor, spannte mühelos den Bogen und schoss einen
Pfeil durch die Öhren. Nun endlich war die Stunde der
Rache gekommen. Tür um Tür verschlossen die treuen Diener, so dass
die Freier nicht entkommen konnten. Dann griffen Odysseus und
Telemachos zu den Waffen, die sie zuvor im Saal versteckt hatten.
Ein fürchterliches Blutbad richteten sie unter den Freiern an, dem
keiner von ihnen entkam. Penelope hatte von der Rückkehr
ihres Mannes in ihrem Gemach gehört. Sie wagte es nicht zu
glauben. Zweifelnd stand sie vor ihrem Mann. Als er das
Hochzeitszimmer beschrieb, dass nur sie beide kannten, schwanden
alle Zweifel und vor Freude warf sie sich ihm an den Hals. Am
nächsten Tag ging Odysseus auf die Felder, um seinen Vater
aufzusuchen. Unter Tränen fielen sich Vater und Sohn in die Arme.
Endlich war der Held nach langen Irrfahrten daheim.
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