Östliche Mythologie
China |
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Der Bogenschütze Yi

Der Mond und die Sonne
(Rollbild aus dem 11. Jhd.)
In einem riesigen Maulbeerbaum namens Fu Shan lebten einst
zehn Sonnen. Es waren die Kinder von dem Gott des Ostens Di Jun
und der Sonnengöttin Xe He. Die Sonnengöttin selber hatte
bestimmt, dass nie mehr als einer ihrer Söhne am Himmel
erscheinen dürfe, denn sie wusste um die verheerende Wirkung auf
die Erde. Eines Tages hielten sich die Söhne nicht an die
Anordnung der Mutter und alle zehn stiegen am Himmel auf.
Ihre Anwesenheit stellte schreckliche Verwüstungen an. Die
Erde vertrocknete und das Getreide verdorrte. Die Menschen baten
ihren Herrscher Yao um Hilfe, der zu dem Gott Di Jun betete,
dass er ein Einsehen mit den Menschen haben möge. Der Gott
erhörte das Flehen des Kaisers und schickte den göttlichen
Bogenschützen Yi zu Hilfe, der seine Söhne unter Kontrolle
bringen sollte. Als Yi die Lage vor Ort in Augenschein
nahm, kam er zu dem Entschluss, dass es nicht ausreichte, die
Söhne von Xe He und Di Jun zu erschrecken. Er musste sie töten,
um die Menschen zu retten. Daher stieg er auf den höchsten Turm
und nahm den ersten Pfeil aus dem Köcher. Dann zielte er auf die
östlichste Sonne und traf sie wie einen Vogel im Flug. Die Sonne
erlosch und schwarze Rabenfedern von dem Sohn des Di Jun fielen
zu Boden. So verlosch eine Sonne nach der anderen bis nur noch
eine am Himmel stand, die fortan die Welt als einzige erleuchten
sollte. Doch Yi sah auch, dass die Welt noch mehr von
Unheil erfüllt war, und so machte er sich auf, die Ordnung auf
der Erde wiederherzustellen. Zunächst bezwang er die wilden
Stürme, die über China hinwegfegten und alles entwurzelten. Dann
bändigte er einen Fluss, der ständig über die Ufer trat und
alles überschwemmte. Schließlich besiegte er auch noch wilde
Ungeheuer, einen schrecklichen Riesen, eine gewaltige
Wasserschlange und einen bösen Windvogel, die eine Schneise der
Verwüstung in China angerichtet hatten. Alle konnte er mit
seinem Zauberbogen töten. Nach all diesen glorreichen
Taten kehrte Yi in den Himmel zurück. Doch der Gott Di Jun war
zornig auf Yi, weil er alle seine Kinder getötet hatte, und
verbannte diesen auf die Erde. Dort sollte er als Sterblicher
unter den Menschen leben. Zusammen mit seiner Frau Heng E kehrte
er auf die Erde zurück. Heng E überredete ihn schließlich, zur
Königlichen Mutter des Westens nach Kunlun zu reisen, damit er
sich dort das Elixier der Unsterblichkeit holen konnte. Dies tat
Yi und er versprach der Königin Xi Wang Mu Treue, wenn sie ihm
das Elixier geben würde. Die Königin war sehr von seinen Worten
geschmeichelt und versprach ihm zu helfen. Für den Zaubertrank
bat sie ihn, einen wahrlich königlichen Sommerpalast zu
errichten. Nach der Fertigstellung überreichte sie ihm das
Elixier in Form einer kleinen Pille. Glücklich kehrte Yi
zu seiner Frau nach Hause zurück. Bevor er die Pille nehmen
konnte, bat der Kaiser Yao ihn, dringende Aufgaben zu erledigen.
Also versteckte er die Pille und verließ sein Haus. Wochen
später fand Heng E die Pille und nahm sie aus dem Versteck. Als
ihr Mann überraschend zurückkehrte, schluckte sie diese in ihrer
Panik. Augenblicklich stieg sie in den Himmel zum Mond hinauf,
wo sie fortan als Mondgöttin lebte. Der Gatte der
Königin des Westens, der mächtige, unsterbliche König des Ostens
hatte Mitleid mit Yi. Aufgrund seiner vielen ruhmreichen Taten
auf der Erde und das ganze Leid, das er dafür erdulden musste,
beschloss er, Yi wieder in ihren Reihen aufzunehmen. Er sollte
seinen Platz im Sonnenpalast einnehmen, wo er mit seinem Yang
ein Gegengewicht zum Yin des Mondes bilden sollte. Er schenkte
Yi ein Amulett, welches ihm die Macht verleihen sollte, Heng E
zu besuchen. Sie jedoch sollte niemals zu ihm gelangen können.
Darum bescheint die Sonne den Mond. Der Mond aber kann niemals
die Sonnen erleuchten.
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